Die häufigsten Ursachen, typische Symptome und hilfreiche Tipps zur oft verschwiegenen Inkontinenz in der Schwangerschaft. Gynäkologin Dr. Rieke Hermann berichtet.
Inhaltsverzeichnis
Viele Frauen bemerken schon sehr früh in der Schwangerschaft eine Veränderung im Bereich der Blase und des Beckenbodens. Dazu gehört ein häufiger Harndrang schon in der Frühschwangerschaft, aber auch nicht selten der spontane Urinverlust bei Belastungen wie Sport, plötzlichem Niesen oder auch schwerem Tragen.
Ungewollter Urinverlust kann im Verlauf der Schwangerschaft zu einer großen Belastung werden. Deshalb gilt es frühzeitig gegenzusteuern.
Denn: Du musst das nicht aushalten. Inkontinenz in der Schwangerschaft ist nämlich behandelbar!
In diesem Artikel erfährst du, was die Ursache von Inkontinenz und Blasenschwäche in der Schwangerschaft ist und wie du ihr entgegen und vorbeugen kannst.
Symptome: Was bedeutet Inkontinenz in der Schwangerschaft?
Der unkontrollierte und ungewollte Abgang von Urin, Stuhl oder Luft aus der Harnröhre oder dem Enddarm wird medizinisch als Inkontinenz bezeichnet. Der Urin oder Stuhl kann also nicht willentlich zurückgehalten werden. Viele Frauen spüren
In der Frauenheilkunde unterscheiden wir verschiedene Formen der Inkontinenz in der Schwangerschaft: Die zwei häufigsten sind die Belastungsinkontinenz und die Dranginkontinenz.
Zu viel Druck: die Belastungsinkontinenz
Sie entsteht aufgrund von körperlichen Belastungen, also einem Anstieg des Druckes im Bauchraum. Kennst du vielleicht: Sie tritt beispielsweise beim Niesen oder Husten auf, oder beim Anheben schwerer Gegenstände. Bei einer fortgeschrittenen Inkontinenz ist diese Form der Blasenschwäche bereits im Laufen oder Stehen zu spüren.
Bei der Dranginkontinenz kommt es zu einem plötzlichen und häufigen Harndrang, obwohl deine Blase noch gar nicht so stark gefüllt ist. Dies bezeichnet man als „überaktive Blase“. Kannst Du dem Drang nicht standhalten und verlierst schwallartig Urin, noch bevor du es zur Toilette schaffst, spricht man von Dranginkontinenz
Schwache Blase: Die Dranginkontinenz
Der Name lässt es bereits vermuten: Frauen verspüren einen plötzlichen, starken Harndrang – auch dann, wenn die Blase noch gar nicht übermäßig gefüllt ist. Die Drangkontinenz wird zudem mit einem Kontrollverlust begleitet. Die Blase entleert sich, ohne dass dagegen gehalten werden kann. Etwa 16 Prozent der Frauen leiden im Laufe des Lebens mal an einem überaktiven Blasenschließmuskel.
In der Schwangerschaft kommt es jedoch vermehrt zu einer Belastungsinkontinenz.
Und das ist keine Seltenheit: Bis zur Geburt betrifft die Inkontinenz in der Schwangerschaft zwei von drei Frauen.
Schwangere verspüren zwar auch häufiger den Drang, die Toilette aufzusuchen, leiden jedoch weniger häufiger an einer Dranginkontinenz. Diese Art der Blasenschwäche, die sogar als ein erstes Schwangerschaftsanzeichen gilt, tritt bereits dann auf, wenn sich die Gebärmutter noch gar nicht viel vergrößert hat. Schuld daran ist die hormonelle Umstellung, die die Durchblutung der Niere verbessert. Nach dem ersten Trimester nimmt dieses Gefühl der „überaktiven Blase“ für gewöhnlich wieder etwas ab.
Ursachen für Inkontinenz in der Schwangerschaft?
Um deinen Urin halten zu können, muss das Zusammenspiel von Blasenmuskulatur, Beckenboden und Schließmuskeln einwandfrei funktionieren. In der Schwangerschaft kommt es jedoch zu vielseitigen Veränderungen, die dieses fein aufeinander abgestimmte System stören.
Je nachdem wie der Zustand der Beckenbodenmuskulatur vor der Schwangerschaft war, sind die Veränderungen und zunehmenden Belastungen auf den Beckenboden mehr oder weniger stark spürbar. Woran kann es liegen?
Hormonelle Ursache für deine Blasenschwäche
In der Schwangerschaft kommt es zu einem Anstieg der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Insbesondere das Progesteron bewirkt eine Weitstellung der Gefäße, was die Durchblutung der Niere und damit den häufigen Harndrang auch schon in der frühen Schwangerschaft verursacht. Des Weiteren führen die Hormone dazu, dass das Bindegewebe im Körper weicher wird. Das betrifft auch deinen Beckenboden, wodurch es für dich schwieriger wird, den Urin zu halten.
Zunehmender Druck auf die Blase
Durch das wachsende Baby und die Gebärmutter kommt es im Laufe der Schwangerschaft zu einer Druckerhöhung im Bauchraum, die Organe werden verdrängt und alles drückt – der Schwerkraft nach – nach unten Richtung Beckenboden. Das zusätzliche Mehrgewicht tut sein Übriges: Die Blase hat nicht mehr so viel Platz wie vorher und du musst häufiger zur Toilette.
Körperliche Fehlhaltung belastet deinen Beckenboden
Der Beckenboden ist im knöchernen Becken aufgespannt. Verändert sich deine Körperhaltung in der Schwangerschaft, kippt auch das Becken mehr nach vorne und der Beckenboden wird gedehnt. Somit kann er sich schwerer zusammenziehen und seine Arbeit vollbringen.
Das Ergebnis: Du musst (schon wieder) auf die Toilette. Darum empfehlen wir bei der MamAcademy unbedingt, den Beckenbodenrechtzeitig zu stärken, um eine Beckenbodenschwäche in der Schwangerschaft zu vermeiden.
Unser beliebter Schwangerschaftsyoga Beckenboden Intensivkurs ist genau auf die Bedürfnisse von Schwangeren zugeschnitten und hilft dir mit Yoga-Übungen, deinen Beckenboden sanft zu stärken und dir etwas Gutes zu tun.
Zu schwere (falsche) Belastungen
Sport in der Schwangerschaft ist gesund, doch einige Sportarten können den Beckenboden zusätzlich zu den bereits oben genannten Veränderungen belasten. Deshalb sollten sogenannte „high Impact“ Sportarten wie Joggen oder Trampolinspringen nicht übermäßig oft oder auch gar nicht ausgeübt werden, da sie den Druck auf den Beckenboden und Blase erhöhen und die Inkontinenz in der Schwangerschaft fördern.
Es gibt viele andere Sportarten, die sich deutlich besser eignen, um auch in der Schwangerschaft fit zu bleiben und den Beckenboden zu unterstützen. Dazu zählt beispielsweise Schwimmen oder Yoga-Kurse, die auf Schwangere abgestimmt sind.
Du willst mehr darüber wissen? Zum Artikel: Sport in der Schwangerschaft
Verstopfungen
Auch damit bist du nicht allein! Viele schwangere Frauen leiden in der Schwangerschaft unter einem trägen Darm mit dem Hang zu Verstopfungen. Auch hier spielen hormonelle Faktoren sowie der wachsende Druck auf den Darm als Ursache eine große Rolle. Aufpassen! Wird während des Stuhlgangs immer sehr stark gepresst, kann sich dies negativ auf den Beckenboden auswirken – und damit das Symptom der Inkontinenz in der Schwangerschaft verschlimmern.
Was hilft bei einer Blasenschwäche in der Schwangerschaft?
Leider sprechen viele Frauen aus Schamgefühl nicht über ihre Beschwerden. Doch für eine erfolgreiche Behandlung ist es von Vorteil, frühzeitig gegen die Inkontinenz in der Schwangerschaft anzusteuern und ein paar Maßnahmen gegen die schwache Blase zu unternehmen.
Lass dir auch nichts Falsches erzählen:
Es ist nicht wahr, dass unkontrollierbarer Urinverlust in der Schwangerschaft „normal“ ist und es sich nach der Schwangerschaft von alleine wieder gibt. Keine Frau muss sich diesem Schicksal hingeben und mit dicken Binden durchhalten bis zur Geburt – begleitet von Unwohlsein.
Das wiederum hat nämlich ebenfalls keinen guten Einfluss auf eine positive Schwangerschaft, die du als Frau genießen darfst.
Es gibt wirksame Therapien, um die Inkontinenz zu verbessern und im besten Falle auch vollständig zu behandeln.
Erst kürzlich habe ich meine eigene Ganzheitliche Frauenarztpraxis in Frankfurt eröffent, wo du beispielsweise für einen Beckenboden Check-Up vorbeikommen kannst. Zudem biete ich die Vaginale Lasertherapie als Therapiemöglichkeit bei Inkontinenz an.
Schaffe zunächst ein Bewusstsein für deinen Beckenboden
Der erste Schritt ist es, dass du dir deines Beckenboden bewusst wirst. Lerne deinen Körper besser kennen und übe immer wieder: Beckenboden richtig anspannen und wieder entspannen. Du wirst merken, dass das zu Beginn gar nicht so leicht ist.
Informiere dich über den Aufbau des Beckenbodens, lerne die drei Schichten kennen und auch, wie du sie gezielt ansteuern kannst. Dieses Wissen und auch das Können wird dich hinsichtlich der Heilung der Inkontinenz weit nach vorne bringen.
Gesundes Beckenbodentraining gegen die Blasenschwäche
Ein gesunder Muskel ist stark und flexibel. Es gilt also, deine Beckenbodenmuskulatur zu stärken, ihr aber auch die nötige Entspannung zu geben. Denn: Besonders mit dem Hinblick auf die Geburt wäre ein überspannter Beckenboden hinderlich. Deshalb gehört zum Muskelaufbau im Training auch eine gezielte Entspannung des Beckenbodens.
Genau deshalb dachtest du aber bisher, dass Beckenbodentraining in der Schwangerschaft nicht zu empfehlen ist? Das ist ein weitverbreiteter Mythos, der nicht wahr ist. Das Gegenteil ist der Fall: Frauen, die ihren Beckenboden in der Schwangerschaft trainieren, weisen weniger typische Beschwerden auf und tendenziell leichtere Geburten haben.
Außerdem: Studien zu Folge reduziert gezieltes Beckenbodentraining in der Schwangerschaft sogar das Risiko für eine Inkontinenz nach Geburt. Überzeugend, oder?
Vermeide Überlastungen auf deine Körpermitte
Es gibt Sportarten und Bewegungen im Alltag, die den Beckenboden sehr stark beanspruchen und damit auch eine Inkontinenz fördern. Daher solltest du diese lieber meiden, um keinen Druck auf deine Blase aufzubauen. Dazu zählt zum Beispiel Lauftraining, Trampolinspringen, viele Ballsportarten wie Volleyball, aber auch das Trainieren mit schweren Gewichten.
Sanfte Sportarten wie Schwimmen, Yoga oder Fahrradfahren sind hingegen in der Schwangerschaft zu empfehlen. Dieses Training kannst du auch gezielt zur Beckenbodenstärkung nutzen.
Achte auf einen gesunden (beckenbodenschonenden) Alltag
Durch bewusste Alltagsbewegungen schonst Du deinen Beckenboden und wirkst damit einer Überbelastung entgegen. Dazu gehört zum Beispiel das richtige Heben. (Achtung: Nie mit rundem Rücken Dinge aufheben, halte den Rücken gerade und gehe dabei in die Knie). Auch eine gesunde, gerade Körperhaltung gehört dazu. Durch den wachsenden Bauch in der Schwangerschaft besteht von Grund auf ein stärkeres Holzkreuz. Lass Dich nicht hereinfallen, sondern richte so oft es geht dein Becken gerade auf. So kann dein Beckenboden richtig arbeiten und erhält Unterstützung durch die umliegende Muskulatur.
Regelmäßig Blase entleeren
In der Schwangerschaft hat deine Blase zunehmend weniger Platz im Unterbauch. Zusätzlich können kindliche Bewegungen den Druck auf die Blase erhöhen, dem dann im Gegenzug nicht Stand gehalten werden kann. Suchst du regelmäßig eine Toilette auf, insbesondere vor Belastungen wie Sport, kann unerwünschtem Urinverlust vorbeugen.
Extra-Tipp: Entleere am besten dann deine Blase, wenn du noch gar nicht dringend musst – also immer vorbeugend. Und: Nimm dir Zeit. Sitz aufrecht und presse dabei nicht nach, um den Druck auf die Blase nicht noch zusätzlich zu erhöhen.
Die Folgen: Inkontinenz nach der Schwangerschaft?
Studien bestätigen es leider: Frauen, die bereits in der Schwangerschaft mit Inkontinenz zu kämpfen hatten, leiden in den meisten Fällen auch (oft sogar Jahre) nach der Geburt noch unter den Folgen des geschwächten Beckenbodens. Niesen, Husten, schwer Heben bereiten hier noch immer Probleme mit Urinverlust. Viele Frauen reden hier nicht drüber oder schlimmer noch: Sie halten es für total normal. Dabei müssen sie damit nicht leben. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Beckenboden zu stärken und damit die Inkontinenz in den Griff zu bekommen. Noch hast du jedoch die Möglichkeit vorzubeugen: Kümmere dich jetzt um deinen Beckenboden, um dir die Rückbildung nach der Geburt zu erleichtern.
Kein Tabu mehr: Inkontinenz in der Schwangerschaft
Zusammenfassend lässt sich für dich mitnehmen, dass Inkontinenz in der Schwangerschaft kein Tabu ist, sondern viele Frauen darunter leiden. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass du dich diesen Beschwerden nicht hingeben musst, sondern selbst etwas dagegen tun kannst. Schon mit kleinen Übungen für deinen Beckenboden kannst du die Beschwerden lindern und einer Verschlimmerung vorbeugen. Eines ist noch ganz wichtig: Bitte reduziere niemals deine Trinkmenge aus Angst, plötzlich Urin zu verlieren. Dein Baby braucht, genauso wie du, viel Flüssigkeit.
Deine Rieke
Du willst Inkontinenz in der Schwangerschaft vorbeugen?
Dein Beckenboden leistet während der Schwangerschaft viel – und wird noch immer völlig unterschätzt. Es wird höchste Zeit, dass wir mit ein paar Mythen rund zu diesem Superstar aufräumen, oder nicht? In unserem kostenlosen Webinar zeigen wir dir, warum dein Beckenboden der Fokus #1 in Deiner Schwangerschaft sein sollte.