Gynäkologin Dr. Rieke Hermann erklärt, mit welchen Methoden Schwangere einen Dammriss vorbeugen und andere Geburtsverletzungen verhindern können.

Insbesondere Schwangere, die ihr erstes Kind bekommen, blicken mit gewisser Sorge auf die Geburt. Zum einen haben sie keine Vorstellung davon, wie sich Wehen anfühlen und wie sie mit ihnen umgehen werden. Zum anderen haben viele Schwangere Angst davor, Geburtsverletzungen zu erleiden. Diese können je nach Schweregrad nicht nur schmerzhaft sein, sondern benötigt der Heilungsprozess auch Zeit.

An dieser Stelle ist zunächst wichtig zu sagen: Geburtsverletzungen passieren. 

Jede Geburt ist unterschiedlich und nicht immer können – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen – Dammrisse verhindert werden. Mit einer guten Behandlung und Pflege verheilt dieser oft auch problemlos und zieht keine langfristigen Beschwerden nach sich.


Dennoch gibt es gute Möglichkeiten, wie Frauen einen Dammriss vorbeugen können.

Was genau ist ein Dammriss?

Der Körper einer Frau macht während der Schwangerschaft unglaubliche Veränderungen durch, um Platz für das kleine Wunder zu schaffen. Doch in manchen Fällen kann es in der letzten Phase der Geburt zu Unfällen kommen: 

Wenn der Bereich zwischen Vagina und Po zu stark durch das Baby beansprucht wird, reißt das Gewebe an dieser Stelle ein. Das nennt sich dann Dammriss. Diese Verletzung ist nicht nur schmerzhaft, sondern führt auch mitunter zu starken Blutungen. 

Abhängig davon, wie viel Gewebe verletzt wird, wird ein Dammriss medizinisch in vier Schwergrade unterschieden:


Dammriss Grad 1: 

Bei diesem Dammriss ist nur die oberflächliche Schleimhaut gerissen und vergleichbar mit einer tieferen Schürfwunde. Es werden vielleicht ein bis zwei Stiche benötigt. Die Heilung benötigt oft nur wenige Tage und die Schmerzen halten sich für gewöhnlich in Grenzen.

Dammriss Grad 2:

Zu einem Dammriss zweiten Grades wird die Verletzung, wenn auch die Muskulatur mit betroffen ist. Der Heilungsprozess benötigt wenige Wochen. Schmerzen beim Sitzen und Schwellungen können auftreten.

Dammrisse Grad 1 und Grad 2 treten am häufigsten auf und sind im Kreißsaal nichts Ungewöhnliches. Sie heilen in der Regel problemlos.

Dammriss Grad 3:

Nur ein kleiner Teil der werdenden Mütter erleidet unter der Geburt einen Dammriss dritten Grades, bei dem neben der Muskulatur auch ein Teil des Darmausgangs mit einreißt. Diese Form muss aufwändiger genäht werden und benötigt auch nach der Geburt noch eine Behandlung und Pflege, damit keine langfristigen Probleme entstehen.

Dammriss Grad 4:

Bei dieser schweren Form des Dammrisses, die glücklicherweise nur sehr selten auftreten, ist auch die Darmschleimhaut verletzt. Der Heilungsprozess dauert mehrere Monate. Doch auch diese schlimmen Verletzungen können ohne Komplikationen heilen, wenn die Mutter sich Zeit für die Heilung nimmt.

Der Dammriss ist wohl die bekannteste Geburtsverletzung. Während der Presswehen können jedoch genauso der Gebärmutterhals, die Vagina, die Klitoris und Schamlippen verletzt werden.

Wie kommt es zu einem Dammriss?

Das Gewebe zwischen der Vagina und dem Darmausgang nennt sich Damm. Ist der Druck und die Spannung auf diesen Bereich während der Geburt zu groß, kann der Damm reißen. Verschiedene Faktoren können einen Dammriss begünstigen:

  1. Erstgebärende: Frauen, die zum ersten Mal ein Kind zur Welt bringen, haben ein etwas höheres Risiko für einen Dammriss. Das Gewebe ist möglicherweise weniger gedehnt und elastisch.
  2. Großes Baby: Muss sich die Vagina aufgrund eines hohen Geburtsgewichts sehr ausdehnen, ist der Druck auf den Damm möglicherweise höher. Dies kann einen Dammriss begünstigen.
  3. Lange Geburtsdauer: Dauert die Geburt sehr lange, kann das Gewebe zwischen Vagina und Darmausgang stark beansprucht und überdehnt werden, was das Dammriss-Risiko erhöht.
  4. Verwendung von medizinischen Hilfsmittel: Ist der Einsatz einer Saugglocke erforderlich, kann das das Risiko eines Dammrisses erhöhen.
  5. Starkes Pressen: Wird unter der Geburt sehr stark gepresst, kann der Druck auf den Damm zu stark werden, was ihn möglicherweise reißen lässt. 
  6. Geburtsposition: Einige Geburtspositionen, beispielsweise die Rückenlage, begünstigen einen Dammriss.
  7. Andere Kindslage: Wird ein Baby in Beckenendlage oder als Sternengucker zur Welt gebracht, erhöht das die Belastung auf den Damm und damit für einen Riss. 
  8. Beckenbodenschwäche: Frauen mit einer schwachen Beckenbodenmuskulatur haben möglicherweise ein höheres Risiko für einen Dammriss.

7 Tipps, wie du einem Dammriss vorbeugen kannst

Auch wenn sich Geburtsverletzungen nicht immer verhindern lassen, kannst du mit natürlichen Mitteln einiges tun, um einen Dammriss zu vermeiden. 

Dammmassage: 

Mit einem Öl und einer bestimmten Massage-Technik kannst du den Damm auf die Entbindung vorbereiten. Durch die sanfte Massage wird die Durchblutung des Gewebes gefördert, was es geschmeidiger macht. Mit der Massage-Technik wird die Dehnung bereits vorbereitet und die Elastizität des Damm-Gewebes erhöht. Du solltest mit der Dammmassage etwa sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin beginnen und sie regelmäßig, etwa dreimal pro Woche, durchführen, um das Risiko für einen Dammrisses unter der Geburt zu senken. Es eignen sich vor allem ein Vitamin-E-haltiges Öl wie beispielsweise ein Weizenkeimöl oder ein spezielles Dammmassage-Öl.

Beckenbodentraining

Gezieltes Beckenbodentraining stärkt die Muskulatur und macht das Gewebe elastischer. Zudem lernst du dabei, den Beckenboden richtig anzusteuern, anzuspannen und – ganz wichtig – richtig zu entspannen. Diese Entspannung sorgt für einen geringeren Druck auf das Gewebe und kann dem Dammriss somit entgegenwirken. Je früher du mit dem Beckenbodentraining beginnst, desto effektiver kannst du dich auf die Geburt vorbereiten. 

Entspannungstechniken

Eine tiefe Bauchatmung, progressive Muskelentspannung, Meditation und Yoga können dir ebenso dabei helfen, einem Dammriss vorzubeugen. Indem du lernst, dich zu entspannen, kannst du die Anspannung in deinem Körper reduzieren und den Druck auf das Dammgewebe verringern. Generell helfen dir erlernte Entspannungstechniken unter der Geburt effektiv dabei, mit den Wehen besser umgehen zu können. .

Geburtspositionen

Du glaubst, in Rückenlage ist die normale Geburtsposition? Tatsächlich arbeitet in dieser Geburtsposition die Schwerkraft gegen dich und das Baby. Der Druck auf den Damm wird erhöht und das Risiko für Geburtsverletzungen steigt. Eine Entbindung im Vierfüßlerstand oder in der Seitenlage nimmt den Druck, unterstützt die Schwerkraft und dein Baby kann langsamer und kontrollierter herausgleiten. Auch eine Geburt unter Wasser hilft sehr, das Gewebe heil zu lassen und kann so einen Dammriss vorbeugen.

Langsame Geburt

Wenn du dem Gewebe mehr Zeit lässt, sich anzupassen und allmählich zu dehnen, kannst du das Risiko einer Geburtsverletzung senken. Eine langsame Entbindung verringert den Druck und gibt dir mehr Kontrolle über den Prozess. Hier ist jedoch zu sagen, dass jede Geburt einzigartig ist und ihr eigenes Tempo hat. Nicht jeder Geburtsverlauf kann verlangsamt und kontrolliert werden. Hast du vorab Yoga und Entspannungstechniken geübt, kann es dir eher gelingen, das Geburtstempo mit zu gestalten. Die richtige Atmung – statt Pressen – hilft ebenfalls. An dieser Stelle vertraue auf die Ärzt:Innen und Hebammen, die den Geburtsverlauf mitgestalten können.

Warme Kompressen

Üblicherweise unterstützt dich die Hebamme in der letzten Geburtsphase mit warmen Kompressen. Auf den Damm gelegt fördern sie die Durchblutung und machen das Gewebe geschmeidiger und können so das Risiko für Geburtsverletzungen reduzieren.  Nicht zu unterschätzen: Warme Kompressen wirken schmerzlindernd, sodass du die Dehnung nicht so sehr spürst. Dies verschafft dir zusätzlich ein bisschen Entspannung für den Endspurt und kann einen Dammriss vorbeugen.

Kommunikation

Auch unter der Geburt ist die Kommunikation das A und O. Idealerweise kannst du schon vor der heißen letzten Phase der Entbindung mit der Hebamme sprechen, wie du dir deine Geburt wünschst und was dir wichtig ist. Auch ein Geburtsplan kann helfen: Darin gibst du bereits vorab deine Wünsche bezüglich der Geburtsposition, Tempo oder Schmerzlinderung an und auch, wie sehr du unter der Entbindung unterstützt werden möchtest. Manche Frauen wünschen sich mehr Support, andere wollen mehr für und bei sich bleiben. 

Mehr zum Thema Geburtsverletzungen erfährst du auch in der Podcast-Folge #120:

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Weitere Informationen

Wie unterscheidet sich ein Dammriss von einem Dammschnitt?

Vor noch etwa zwanzig bis dreißig Jahren wurde unter der Geburt routinemäßig eingeschnitten, um den Dammriss zu vermeiden. Hier bestand eben die Gefahr, dass ein Dammriss auch den After verletzt. Heute weiß man jedoch, dass dies zum einen nur sehr selten passiert und ein Dammschnitt zum anderen meist im Anschluss schmerzhafter ist und schlechter verheilt (Dammschnitt-Studie KGU).

Daher plädieren insbesondere Hebammen dafür, das Gewebe eher reißen zu lassen, als einen Dammschnitt zu setzen. In seltenen Fällen kann es jedoch aus medizinischer Sicht notwendig sein, das Gewebe zu schneiden. Hier sei gesagt, dass auch ein Dammschnitt im Regelfall problemlos abhält. 

Fazit: Dammriss vorbeugen – geht das überhaupt?

Leider gibt es kein Allheilmittel oder Garantie, einen Dammriss unter der Geburt zu verhindern. Wie gut das Gewebe mitmacht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, auf die eine Schwangere nicht immer gezielt Einfluss nehmen kann.

Dennoch gibt es Möglichkeiten, das Risiko von Geburtsverletzungen zu senken, indem sich Frauen Zeit für die Geburtsvorbereitung nehmen, Yoga und Entspannungstechniken üben und auch versuchen, Stress im Alltag zu vermeiden.

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