Ein Brief aus dem Wochenbett

Das Wochenbett ist eine besondere Zeit, in der sich eine Frau von der Schwangerschaft und Geburt erholt, ein Baby ankommt und sich eine Familie neu findet. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere Dinge – wie eben den neuen Alltag zu bestreiten.

Was uns in der alltäglichen Arbeit auffällt: Viele Frauen wissen nicht wie sie die wichtige Bedeutung eines Wochenbettes kommunizieren sollen. Zum einen liegt es unserer Meinung daran, dass viele Frauen nicht wissen was auf sie zukommt und zum anderen, dass das Wochenbett gesellschaftlich oft nicht wichtig genommen wird.

Unsere Mütter, Großmütter und Urgroßmütter mussten nach kurzer Zeit wieder schnell funktionieren, was oftmals gesundheitliche Folgen im Alter bedeutete.

Heutzutage sind wir besser aufgeklärt, möchten das Wochenbett solange es geht stressfrei und ohne große (körperliche) Belastung erleben. Aber leider stoßen dabei viele Frauen auf Unverständnis und fehlende Unterstützung in ihrem Umfeld.

Du bist herzlich eingeladen diese Zeilen an deine Liebsten weiterzuleiten. Und für den Fall, dass du eine Audiospur bevorzugst: Scroll bis zum Ende des Textes – hier haben wir diese verlinkt.

 
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Unser „Brief aus dem Wochenbett“ ist aus Sicht einer Mama geschrieben, die eine Spontangeburt erlebt hat und stillt.

„Hallo Du,

ich erlebe gerade eine sehr sensible und chaotische Zeit, deshalb möchte ich ein paar Zeilen an Dich richten. Es liegt mir besonders am Herzen, dass Du meine Situation verstehst.

Daher würde ich mich sehr freuen, wenn du dir 10 Minuten nimmst und ohne Ablenkung meine Zeilen liest:

Ich habe knappe 10 Monate ein Baby in mir getragen. In dieser Zeit hat mein Körper sich verändert und hat all seine Energie in diesen Job gesteckt. Der krönende Abschluss war dann die Geburt, in der ich nicht nur einen Menschen auf diese Welt gebracht habe, sondern mich zur Mama gemacht hat. Mama sein ist ein unfassbares Geschenk, ist aber auch eine wahnsinnige Meisterleistung für meinen Körper. Crazy das ein Körper so etwas schafft!

Du hast dich sicherlich mal gefragt, wie anstrengend eine Schwangerschaft und eine Geburt ist?

Ich versuche es dir zu erklären:

Stell Dir vor du läufst drei Marathons: Dein Körper ist ausgepowert, hat eine Grenze überschritten, von der du nie dachtest, dass dies überhaupt möglich ist. Das Ziel war mittendrin mal ganz verschwunden und die letzten 3km, die schlimmsten deines Lebens. Emotional bist du durch alle Höhen und Tiefen gegangen: Stolz, (Vor)Freude, Glück aber auch das Gefühl von Angst, Erschöpfung und Müdigkeit – alles war ein Teil deines Laufs.

Nachdem du das Ziel erreicht hast und zwei Nächte durchgefeiert hast, wirst du nach Hause geschickt inkl. einem Bündel „Liebe“, um das du dich nun fortan kümmern darfst. Wenn man Social Media glaubt, schwebst du auf Wolke 7 aus dem Krankenhaus heraus, siehst dabei großartig und ausgeschlafen aus und funktionierst wieder einwandfrei, wie vorher auch.

Was man nicht sieht, ist eine große Wunde in deinem Körper, die von einem ca. 20cm großen und 3cm dicken Organ verursacht wurde, die hin und wieder viel Blut verliert und auch mal schmerzt. Stell dir diese Große bitte mal auf deinem Bauch oder Rücken vor!

Ich bitte dich darum kurz zu überlegen: Was würdest du von mir erwarten, wenn du so eine große Wunde mit nach Hause bringen würdest?

Wäre komisch und unangebracht, wenn ich dich darum bitten würde die Geschirrspülmaschine auszuräumen, einkaufen zu gehen oder Essen zu kochen, oder?

Lass mich dir kurz sagen, wie es um mich steht:

Mein Körper fühlt sich nach der Schwangerschaft und Geburt an als wäre ein LKW über mich gefahren. Mein Kreislauf ist instabil und das merke ich meistens dann, wenn ich versuche wie gewohnt durch die Wohnung zu laufen. Aber wie soll das auch anders sein?

Meine Vagina hat ein 3-4 Kilo Kind aus sich rausgepresst. Meinen Beckenboden spüre ich gerade nicht mehr, denn ich habe über Monate zusätzliches Gewicht mit mir herumgetragen und der Druck unter der Geburt hat das nicht noch besser gemacht. Aus meinem Po sind sämtliche Hämorrhoiden rausgerutscht, die es nur gibt. Yes, es ist es sehr schmerzhaft, wenn ich viel sitze, durch die Gegend laufe oder Gegenstände tragen soll, die für mich gerade noch viel zu schwer sind. Zusätzliche Geburtsverletzungen in der Vagina und am Damm, machen das Ganze nicht einfacher. Das Einzige, was hier hilft ist liegen und das Becken hochzulegen.

Und bitte lass mich nicht erst von der Müdigkeit und der emotionalen Achterbahnfahrt anfangen. In meinem Kopf höre ich die ganze Zeit nur den Song „Auf geht’s, ab geht’s, drei Tage wach. Nächste Party kommt bestimmt, drei Tage wach. Afterhour, vor der Hour, drei Tage wach. Drei Tage wach, jetzt wirst du langsam schwach…“ Nur das ich gerade vom Gin Tonic auf der Partybox im Club nur träumen kann. Ich klemme mir lieber die Streichhölzer zwischen die Augenlider, denn die nächste Stillsession kommt gleich wieder.

Da sind wir auch schon bei der nächsten Herausforderung: Meine Brustwarzen! Wund, und sehr schmerzhaft. Dabei soll stillen doch so schön sein! Ich bin nur froh, wenn das Stillen bald endlich funktioniert. Durch den Milcheinschuss fühle ich mich als hätte ich mir eine Grippe eingefangen. Meine Brüste sind prall und heiß und wenn jetzt gleich der nächste unangekündigte Besucher vor der Tür steht, funktioniert die nächste Stillsession gar nicht mehr.

Wusstest du, dass man im Wochenbett auf Stress noch sensibler reagiert? Insbesondere der Milcheinschuss ist davon abhängig. Vielleicht merke ich es selbst manchmal nicht, dass ich gestresst bin. In dem Fall sorge bitte für mich! Schicke mich zurück ins Bett, nimm den Großen und geh auf den Spielplatz und bitte, bitte organisiere einen Putzservice. Denn auch du musst das nicht die ganze Zeit übernehmen!

Vielleicht verstehst du jetzt schon ein wenig besser, warum ich gerade nicht 100 Besucher empfangen möchte. Lass es uns doch einfach spontan entscheiden und abhängig davon machen wie es mir – wie es uns – geht.

Bewusst sage ich uns, denn nicht nur für mich ist alles neu, sondern auch für dieses kleine zarte Wesen und für dich auch! Ich möchte, dass wir langsam und gemeinsam ankommen dürfen. Klar weiß ich, dass sich alle mit uns freuen, aber mal ehrlich: Wir laufen Niemandem weg und mir ist nicht danach unser Baby einem anderen Menschen, außer dir, in die Arme zu legen! Und by the way: Das Parfüm von Tante Helga geht gar nicht. Ich möchte nicht, dass mein Baby danach riecht und Lippenstiftabdrücke auf der Wange hat. Allein der Gedanke daran macht mich wahnsinnig und lässt meinen Magen zusammenziehen.

Außerdem bin ich gerade nicht in der Lage mich hübsch zu machen und kann 0,0 garantieren, dass die Wohnung aufgeräumt und sauber ist. Ich kann auch niemanden anderen außer das Baby versorgen. Ich schaffe es selbst kaum mir etwas gesundes aus der Küche zu holen – wäre aber sehr dankbar, wenn du dich darum kümmern könntest oder uns einen Lieferservice klar machst!

Vielleicht bringst du auf dem Weg zurück ins Bett noch die Taschentücher mit, denn heute ist so ein Tag an dem ich permanent nur heulen könnte! Vor Liebe, aus Müdigkeit, aber auch aus Angst, ob ich den neuen Alltag jemals allein schaffen werde. Nimm mich doch bitte einfach in den Arm und danach gerne das Baby, damit ich mir nach 6 Tagen mal in Ruhe die Haare waschen kann. Ich weiß diese emotionalen Wellen sind auch für dich heftig.

Mein Call an dich: Was ich von dir, als mein Fels an meiner Seite, in nächster Zeit brauche?

Emotionale Unterstützung und körperliche Entlastung, solange es nur geht!

Mein Körper braucht Zeit, um zu heilen, denn ich möchte im Alter nicht an Inkontinenz leiden und für den Rest meines Lebens Damenbinden tragen müssen. Und meine Hormone dürfen die nächsten Wochen noch ihre Party feiern, bevor sie sich im Anschluss brav wieder beruhigen. Ich möchte die Geburt in Ruhe verarbeiten dürfen, denn es wird hin und wieder so sein, dass mir neue Details einfallen, zu denen ich dich immer mal wieder etwas frage. Vielleicht werde ich auch hier eine weitere Träne verdrücken.

Ein neuer Lebensabschnitt hat für uns als Familie begonnen. Das ist aufregend, aber auch beängstigend. Unser „System“ hat einen neuen Begleiter aufgenommen, der erst einmal ziemlich lange bei uns bleiben wird. Aber dem Ganzen möchte ich positiv gegenüber eingestellt sein: Ich weiß, wir schaffen das gemeinsam und umso länger ich mich ausruhen kann, umso gestärkter werde ich in diesen neuen Lebensabschnitt starten können. Körperlich, seelisch und auf emotionaler Ebene.

Also vorab: DANKE, dass du mich begleitest, mich unterstützt und auch mein persönlicher Reminder bist, der mich daran erinnert langsam zu machen, wenn ich mal wieder zu viel mache.

In Liebe,

Dein +1″

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